Dörte ist wieder mit Gepäck über die Gangway ausgestiegen, ich habe mich um das Auto gekümmert. Die Zollkontrolle war ein Witz, ich hätte nicht Finns Früchtebrot vollständig zum Frühstück verspeisen müssen. Immerhin hatte ich so genug Kraft für den ersten Pass!
Um etwa 10:30 Uhr saß ich auf dem Rad und bereits nach 3 km kam der erste Höhepunkt, ein richtig breiter und hoher Wasserfall!
Es ging hoch bis auf 622 Meter. Ich habe etliche Trinkpausen eingelegt, war aber insgesamt mit mir ganz zufrieden. Zwischendurch gab es etwas Nebel, das bedeutet die Gefahr angefahren zu werden. Ich hatte aber ja einen knallgelben Regenponcho übergezogen und es waren immer noch 50 m Sichtweite. Das reicht, dachte ich mir. Oben erwartete mich eine unheimliche Landschaft: Ein zugefrorener See, links und rechts von der Straße Firnfelder. An einigen Stellen war hellblaues Wasser zu sehen.
Die anschließende Abfahrt war eine Katastrophe. Erstens war es kalt (+2 Grad waren angesagt) und windig. Bergauf habe ich den Wind kaum gemerkt (wahrscheinlich kam er von hinten). Jetzt ging es plötzlich in Serpentinen mit 10% Gefälle bergab und der Wind wurde zum Sturm. Als erstes zog ich den Regenponcho aus (schon das war ein riskantes Unterfangen), aber das reichte nicht. Ich konnte das Fahrrad bei dem Bergab-Wind nicht fahrend auf der Straße halten, ich musste schieben! Nach 1 km kam die nächste Haarnadelkurve und jetzt war der Wind nicht mehr so stark. Ab hier bin ich dann wieder geradelt. Unterwegs habe ich die radfahrende Geocacherin eingeholt, die auch ihr Fahrrad bergab schob. In Egilsstaðir trennten sich unsere Wege.
Nach diesen Anstrengungen hatte ich mir ein Snickers redlich verdient. Doch das reichte einfach nicht, ich musste bereits 5 km weiter ein weiteres nachschieben, damit ich keinen Hungerast bekam. Es ging jetzt nämlich etwa 20 km nach Nordnordwest – bergauf und mit anständigem Gegenwind. Ich kam mit Anstrengung auf etwa 8 km/h und weitere Snickers mussten herhalten. Die Hochrechnung ergab, dass ich nach 20 Uhr ankommen würde. Meine Oberschenkel brannten wie Hölle!
Doch dann kam die Rettung: Die Ringstraße schwenkte nach Südwest in das Tal des Flusses Jökulsá á Brú. Hier geht es zwar auch bergauf, aber das merkt man kaum. Vor allem, wenn man, wie ich jetzt, anständigen Rückenwind hat. Die restlichen 30 km waren also kein ernsthaftes Problem mehr, gegen 18:30 Uhr war ich am Ziel.
Das Ziel ist ein Guesthouse mit angeschlossenem Zeltplatz. Wir können drinnen sitzen und haben uns eine warme Suppe gegönnt. Und von dort bloggen wir jetzt. Was für ein anstrengender Tag – ich überlege schon, die morgige lange Etappe zu teilen. Aber irgendwie war es schön: Ich habe Berge, Wasserfälle, Eis, Gegen- und Rückenwind sowie Regen und Trockenheit an einem Tag erlebt. So habe ich mir Island vorgestellt! Einziger Haken: Ich habe das Snickers-Konto überzogen!
Anmerkungen von Dörte:
Ich bin – Überraschung – die gleiche Strecke gefahren, habe aber zwischendurch bei Netto eingekauft. Die Lebensmittel sind unglaublich teuer. Einmal die Kühltasche füllen und noch ein bisschen Naschi für rund 150,-- Euro. Auf der Weiterfahrt zum Campingplatz habe ich eine Anhalterin mitgenommen. Eine junge Französin, die 5 Monate auf einer Schaffarm gearbeitet hat und jetzt noch einen Monat Urlaub macht. Sie erzählte, dass der Winter sehr gemütlich sei, hell sei es nur von 11.00 bis 15.00 Uhr (Jan kann bestimmt noch was von Dämmerung und dem Unterschied zwischen meteorologischem und kaufmännischem Sonnenuntergang erzählen) und die Schafe würden auch nicht viel Arbeit machen. Aber dann – nahezu schlagartig kamen zu den 400 Schafen 600 Lämmer dazu. Ich kann mir zwar nicht so richtig vorstellen, was man da machen muss, glaub das aber jetzt mal.
Anmerkung von Jan:
Es heißt nautische Dämmerung (man erkennt den Horizont noch) und bürgerliche Dämmerung (man kann im Freien noch Lesen)!